Positionspapier: Ökologische Nachhaltigkeit im weltwärts Freiwilligendienst

Schon 1992 stellte die UN fest, dass stabile Gesellschaften zu erreichen seien, indem ökologische, ökonomische und soziale Ziele nicht gegeneinander ausgespielt, sondern gleichrangig angestrebt würden. Diese Definition einer dreigeteilten Nachhaltigkeit wurde 1995 von der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“ aufgenommen. Ökologie, Ökonomie und Soziales wurden hierbei als die drei Säulen der Nachhaltigkeit bezeichnet. Auch die 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung der Vereinten Nationen, die den thematischen Rahmen des weltwärts Programms abstecken, fußen auf den genannten Säulen.

Wir als Freiwilligenvertretung begrüßen, dass die ökologische Nachhaltigkeit als eine Komponente des Programms derzeit in den Vordergrund rückt und vor allem auf struktureller Ebene diskutiert wird. Für uns steht aber auch fest, dass Nachhaltigkeit ganzheitlich gedacht werden muss und dabei die anderen beiden Säulen nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

Als ganz praktisches Beispiel ist hierbei die Flugkompensation anzuführen, die gleichzeitig eine der größten Herausforderungen im Bereich ökologische Nachhaltigkeit darstellt. Wenn wir als Gemeinschaftswerk das Thema ernst nehmen, kommen wir um eine Flugkompensation nicht drum herum. Wenn wir nun aber die soziale und ökonomische Komponente mitdenken, sehen wir, dass viele Freiwillige die Kompensation gar nicht selbst finanzieren können. Die klimatechnische Verantwortung des Programms darf hier also nicht auf die Freiwilligen abgewälzt werden, da ansonsten Ungerechtigkeiten im Programm verstärkt werden würden. Auch Flugkompensationen, die auf globale Machtstrukturen verstärkend wirken, lehnen wir mit Blick auf einen ganzheitlichen Ansatz der Nachhaltigkeit ab.

Wir nehmen wahr, dass weltwärts in sehr vielen Dingen schon ganz praktisch zu ökologischer Nachhaltigkeit beiträgt. Dies betrifft vor allem die Bildungsarbeit auf Seminaren und den Lernfaktor durch den Freiwilligendienst im Allgemeinen. Jedoch gibt es sehr viel praktischen Handlungsbedarf. Einiges wurde bereits in einer Zivilgesellschaftlichen Themensammlung im Sommer 21, die eine Sammlung der Träger zu praktischen Best-Practices zu dem Thema darstellt, zusammengetragen und sollte dementsprechend jetzt in die Programmstruktur einfließen.

Mit Bezug auf zurückgekehrte Freiwillige ist es aus unserer Sicht wichtig, dass auch Rückkehrendenarbeit zu Themen der globalen Klimagerechtigkeit gefördert werden sollen, damit ehemalige Freiwillige die Möglichkeit haben, die durch den Lernfaktor von weltwärts wichtig gewordenen Themen, weiter zu verfolgen. Dabei sehen wir Ausbaubedarf bei den bestehenden Förderungen Junges Engagement (JE), Aktionsgruppenprogramm (AGP) und dem Förderungsprogramm entwicklungspolitische Bildung (FEB).

Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass in den Ländern des globalen Südens nicht die ökologische Nachhaltigkeit das akuteste Thema ist. Soziale Ungleichheiten, Analphabetismus, Armut, Klassismus, Rassismus, Kolonialismus und andere Probleme müssen gleichermaßen angegangen werden und können nicht verdrängt werden, da viele Menschen täglich unter diesen Bedingungen leiden. In diesem Sinne müssen wir uns vor Augen halten, dass die Idee des weltwärts Programms darin besteht, dass sich die ehemaligen Freiwilligen aus dem globalen Süden nach der Rückkehr für soziale Projekte innerhalb ihrer Gemeinschaft engagieren. Das Thema ökologische Nachhaltigkeit, das auf jeden Fall wichtig ist, hat nicht für alle Programmbeteiligten die dringendste Priorität. Eben deswegen plädieren wir dafür, Nachhaltigkeit ganzheitlich zu denken und dabei auch Programmbeteiligte aus dem Globalen Süden miteinzubeziehen, um die Wiederholung kolonialistischer Muster aus dem globalen Norden zu vermeiden.

Wenn weltwärts durch einen Fokus auf ökologische Nachhaltigkeit für junge Menschen noch attraktiver wird, sollte dies auch entsprechend kommuniziert werden. Wichtig ist hierbei eine ehrliche Kommunikation. Dabei sollen die inhaltlichen, langfristigen Vorteile des Programms für das Verständnis von Klimagerechtigkeit betont werden, ohne dabei kurzfristige, klimaschädliche Auswirkungen zu beschönigen. Greenwashing ist dabei nicht zielführend und wird von uns klar abgelehnt. Weltwärts ist kein klimaneutrales Programm und wird es kurz- und mittelfristig auch nicht werden können. Dessen müssen wir uns auch in der Öffentlichkeitsarbeit bewusst sein und uns entsprechender Kritik stellen.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir für einen ganzheitlichen, praktischen Ansatz plädieren, der die drei Säulen der Nachhaltigkeit einschließt. Wir nehmen wahr, dass im Programm vor allem von einzelnen Trägern schon viel zu dem Thema geleistet wird, sehen aber vor allem auf struktureller und finanzieller Ebene noch viel Luft nach oben.

Veröffentlichung: November 2021